Immer wieder liest man etwas darüber, dass mehr Menschen, gerade auch Jugendliche, sich radikalisieren. Oft handelt es sich dabei um einen schleichenden Prozess, der im ersten Moment kaum auffällt. Aber wie ist das möglich? Es muss Freund*innen, Eltern oder Lehrer*innen doch auffallen, wenn jemand auf einmal radikale Ansichten vertritt und Teil der rechtsextremen Szene wird? Tatsächlich ist es oft schwierig, diese Veränderungen festzustellen. Warum? Weil es sich bei der Radikalisierung um einen langwierigen Prozess handelt. Oft werden Jugendliche von Neonazis geködert und langsam an die Szene herangeführt. Den Grundstein dafür legt häufig das Internet – gerade die sozialen Medien werden von Neonazis oft und gerne genutzt, um Jugendliche zu ködern und sie von ihren Ansichten zu überzeugen. Warum das so gut funktioniert und wie das vonstatten geht, möchte ich euch in diesem Artikel erklären.
Facebook & Co. werden schon seit Jahren zur Verbreitung von Rechtsextremismus im Netz genutzt
Rechtsextreme Köderversuche im Netz gibt es schon mindestens so lange, wie es soziale Netzwerke gibt. Plattformen, auf denen Menschen sich untereinander austauschen, aber dennoch eine gewisse Anonymität wahren können, eignen sich optimal zum Anwerben neuer Interessenten. Schon seit Jahren gibt es zahlreiche Neonazi-Profile bei Facebook oder Kanäle bei YouTube. Jedoch sind es nicht unbedingt diejenigen, die offen rechtsextrem, rassistisch, sexistisch oder grundlegend diskriminierend auftreten, um die wir uns wirklich Sorgen machen müssen, wenn es um das Anwerben neuer Mitglieder geht. Ein Profil, das offen rechtsextreme Äußerungen vertritt, zum Beispiel über das Teilen rassistischer und populistischer Videos oder das Veröffentlichen rassistischer Kommentare unter öffentlichen Posts, erhält oft Gegenwind. Somit eignet es sich eher weniger dazu, Jugendliche anzuwerben. Problematisch sind vielmehr diejenigen, die gelernt haben, die sozialen Medien gezielt für Anwerbezwecke zu nutzen und mit gezielten Aktionen Türen zu öffnen. Warum das so ist?
Anwerbungen sind oft subtil
Möchten Rechtsextremisten Kinder oder Jugendliche ködern, geschieht das in den seltensten Fällen über direkte Anfragen oder Aussagen wie „Wir sind eine rechtsextreme Gruppierung, schließ dich uns an!“. Vielmehr sind Anwerbungen in der Regel sehr subtil. Es geht darum, Kontakt zu den Jugendlichen aufzubauen und sie nach und nach durch gezielt platzierte Inhalte und Fragen zu überzeugen. Über einen YouTube Kanal ist das zum Beispiel in folgender Form möglich: Am Namen des Channels ist nicht klar erkennbar, dass es sich um einen oder mehrere Neonazis handelt. Im Channel gibt es einfach unterhaltende Videos, die auf den ersten Blick keine rechtsextremen Inhalte enthalten. Jedoch tauchen immer wieder rassistische Witze, sexistische Kommentare oder diskriminierende Ansichten darin auf – wie nebenbei eingebaut. Follower*innen sehen diese Kommentare und Aussagen mit der Zeit als normal an. Kommt es zu direkterem Kontakt, etwa über eine Veranstaltungseinladung, ist das Ziel des YouTube Kanals klar erreicht: Jugendliche in die rechtsextremen Kreise einzuladen.
Es sind die harmlosen Fragen, um die wir uns Sorgen machen müssen
Rechtsextreme Profile bei Facebook & Co., die klar rassistisch oder sexistisch auftreten, sind nicht diejenigen, um die wir uns wirklich Sorgen machen müssen, wenn es um das Anwerben von Jugendlichen geht. Es sind vielmehr diejenigen, die an den richtigen Stellen scheinbar harmlose Fragen stellen. Ziel ist es, so das Interesse der Jugendlichen zu wecken. Es geht darum, eine Grundlage in ihren Gedanken zu säen, die es in der Zukunft einfacher macht, rechtsextreme Ansichten zu verbreiten, ohne Gegenwind zu erhalten.
Rechte Memes, Alltagsrassismus & Co.
Oft sind es nicht nur Fragen in den Kommentarspalten bei Facebook oder Instagram, die uns Sorgen machen sollten, sondern auch ganz alltägliche Konversationen. Alltagsrassismus, rassistische oder sexistische Memes, die in WhatsApp Gruppen verbreitet werden und auf den ersten Blick einfach nur lustig sein sollen – all diese Dinge können dafür sorgen, dass Jugendliche einen extremistischen Weg wählen.
Welche Lösungsansätze gibt es gegen Rechtsextremismus im Netz?
Auch, wenn die Richtlinien rund um das Thema Jugendschutz in sozialen Medien verstärkt wurden – es wird kaum möglich sein, rechtsextreme Inhalte und Anwerbeversuche von Neonazis komplett zu stoppen. Dazu ist es nach wie vor zu unkompliziert, nach einer Sperrung einfach neue Profile anzulegen. Um Kinder und Jugendliche zu schützen, dürfen wir uns nicht auf Plattformen wie Facebook, YouTube & Co. verlassen. Vielmehr gilt es, selbst aktiv zu werden.
Inhalte melden und löschen lassen
Wenn wir offen rechtsextremistische Profile, Kommentare oder Videos sehen, ist das Wichtigste, was wir tun können, nicht wegzuschauen. Auch, wenn die Meldungen nicht immer erfolgreich sind, müssen solche Inhalte gemeldet und die entsprechenden Posts oder Profile geblockt werden. Die Filter und Mitarbeiter*innen der sozialen Netzwerke suchen nicht aktiv nach gefährlichen Posts – sie reagieren nur auf Meldungen. Auch Posts, die nach Ködern aussehen, können gemeldet werden. Meist findet sich in den Profilen dieser Kommentator*innen etwas, das sich eindeutiger der rechtsextremen Szene zuordnen lässt.
Aktiv widersprechen
Zusätzlich zur Meldefunktion bietet Social Media jede*r Nutzer*in eine weitere Funktion: die Option, selbst zu kommentieren. Offen rassistische, sexistische oder anderweitig diskriminierende Posts oder Kommentare sollten als genau das bezeichnet werden. Jede*r Nutzer*in sollte sehen können, dass Rassismus, Diskriminierung und Sexismus nicht geduldet werden – auch nicht im scheinbar rechtsfreien Raum der sozialen Medien. Je öfter diskriminierenden Aussagen widersprochen wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie von anderen als normal wahrgenommen werden und im Alltag oder in der Politik Fuß fassen können.
Aufklärung für Jugendliche rund um Rechtsextremismus im Netz
Der wichtigste Punkt kommt zum Schluss: Um Rechtsextremismus im Netz entgegenzuwirken und Köderversuche von Neonazis unmöglich zu machen, müssen wir Aufklärungsarbeit leisten. Jugendliche müssen lernen, was Rechtsextremismus bedeutet, warum rassistische und sexistische Aussagen nicht normal sind und welche Methoden Neonazis verwenden, um Jugendliche zu ködern. Wir müssen selbst zum Jugendschutz im Internet beitragen und Jugendlichen beibringen, wie sie sich in Bezug auf rechtsextreme Themen oder Posts verhalten können – ob sie subtil oder offen sind. Es gilt, unseren Kindern und Jugendlichen beizubringen, dass es immer Extremist*innen geben wird, wir ihnen aber die Grundlage entziehen können, indem sie keinen fruchtbaren Boden für ihre Einstellungen und Forderungen finden.
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