Zusammenarbeit am Arbeitsplatz: Schadet Harmonie im Team?

Zusammenarbeit am Arbeitsplatz: Schadet Harmonie im Team?

Die meisten Menschen haben ein großes Bedürfnis nach Harmonie – sowohl im Privatleben als auch am Arbeitsplatz. Kaum jemand wird von sich behaupten, dass er oder sie gerne in Konflikte oder Streitigkeiten verwickelt ist. Dennoch gehören Konflikte zu unserem Alltag dazu. Wie sieht es aber am Arbeitsplatz aus? Sollen Konflikte hier nicht nach Möglichkeit vollständig vermieden werden, um die Atmosphäre im Team nicht zu gefährden? Ich möchte heute erklären, wie Konflikte Teams in Unternehmen helfen können und warum zu viel Harmonie der Zusammenarbeit sogar schaden kann. 

Sollte Harmonie im Team nicht das Ziel sein?

Seit Jahren predigen HR- und Recruitingspezialist*innen vor allem eines: Eine angenehme Arbeitsatmosphäre ist eines der wichtigsten Ziele, auf die Arbeitgeber hinarbeiten sollen. Das hat etwas damit zu tun, dass es eines unserer Grundbedürfnisse als Menschen ist, uns zu einer Gruppe zugehörig zu fühlen. Fühlen wir uns im Team gut aufgenommen, sind wir glücklicher und unser Selbstvertrauen steigt. Mitarbeiter*innen sollen so motivierter an ihre Arbeit gehen, produktiver sein und stärker an ihren Arbeitgeber gebunden werden. Zu einer guten Arbeitsatmosphäre gehört schließlich auch, dass es keine Konflikte innerhalb des Teams gibt, dass alle Teammitglieder gut miteinander auskommen. Diese Aussage ist jedoch nur zum Teil richtig.

Darum kann zu viel Harmonie Ihrem Team schaden

Wie von den meisten Dingen kann es auch von Harmonie zu viel geben. Logisch: Wir alle wünschen uns ein harmonisches Miteinander bei der Arbeit und freuen uns, wenn wir uns mit unseren Kolleg*innen gut verstehen und auch ab und an nach Feierabend gemeinsam essen oder in eine Bar gehen können. Dennoch brauchen wir als Menschen nicht nur Harmonie – gerade, wenn es um berufliche Themen geht. Vielmehr müssen wir lernen, mit Konflikten umzugehen und daraus etwas zu lernen, sodass wir uns stetig weiterentwickeln können. Fehlen diese Herausforderungen gänzlich, weil Mitarbeiter*innen sich untereinander zu gut verstehen und Konflikte sogar scheuen, kann es zu Problemen kommen. Mit der Zeit können Teams sich durch zu starke Harmonie selbst in eine Art Abwärtsspirale befördern:

 

  • Das offene Feedback fehlt
  • Die Motivation sinkt
  • Die Kreativität leidet
  • Die Unzufriedenheit steigt

 

Oft fällt es Teams und auch Führungskräften erst gar nicht auf, dass sich mehrere Mitarbeiter*innen in dieser Abwärtsspirale befinden, oft wird die sinkende Produktivität und die höhere Unzufriedenheit auch gar nicht mit fehlenden Konflikten im Team in Verbindung gebracht. Wie sollte man auch auf diesen eher ungewöhnlichen Gedanken kommen? In vielen Fällen wird dieses Problem erst durch eine externe Meinung sichtbar, etwa durch eine Beratung oder ein Coaching. Dabei muss das Grundthema dieses Coachings nicht die sinkende Produktivität gewesen sein – es kann dabei auch um ein ganz anderes Thema gehen. In der Regel ist der Blick von außen der wichtige Punkt, um eine zu starke Harmonie im Team zu erkennen.

So erkennen Sie, ob die Harmonie im Team zu stark ist

Sicherlich fragen Sie sich jetzt: Wie kann ich denn herausfinden, ob es in meinem Team zu harmonisch ist? Schließlich können Sie Ihre Kolleg*innen oder Mitarbeiter*innen schlecht fragen, ob sie unzufrieden sind, weil es kaum Konflikte gibt. Da würde wohl jede*r Mitarbeiter*in irritiert reagieren. Es gibt jedoch einige Dinge, auf die Sie achten können, die auf ein zu harmonisches Team hindeuten können:

Die Fehlerkultur leidet

Passiert einem Teammitglied ein Fehler, sorgt das für unangenehme Situationen – sowohl bei denjenigen, denen der Fehler aufgefallen ist als auch bei der Person, die den Fehler gemacht hat. Das offene Ansprechen eines Fehlers wird vermieden oder der Fehler wird verharmlost. Solche Situationen zeigen deutlich: Die Teammitglieder haben Angst davor, sich gegenseitig zu verletzen und spielen Fehler deshalb herunter oder kehren sie unter den Teppich. Vielmehr sollten Fehler jedoch gerade im beruflichen Umfeld als Chance gesehen werden, etwas zu lernen. Es geht selbstverständlich nicht darum, der Kollegin ihre letzte Fehlkalkulation vorzuhalten und sie vor der Führungsebene schlecht zu machen. Vielmehr geht es darum, Fehler zu thematisieren und nach Möglichkeit Hilfe anzubieten, diesen Fehler zu beheben und Tipps für zukünftige, ähnliche Situationen zu geben. 

 

Mein Tipp: Versuchen Sie, während Ihrer Teamarbeit Klartext zu reden und offene, aber sachliche Kommunikation zu üben. So können alle Teammitglieder sich weiterentwickeln.

Es fehlt an Ideen und kritischen Diskussionen im Team

Logisch – es gibt von Zeit zu Zeit Meetings, in denen einfach keine kreativen Ideen zusammenkommen wollen. Vielleicht haben die Teilnehmer*innen einfach einen schlechten Tag oder viele andere Dinge im Kopf und hatten keine Zeit, sich umfassend auf das Meeting vorzubereiten. Diese Situationen sind ganz normal und müssen Sie nicht weiter besorgen. Vielmehr wird es problematisch, wenn es in Meetings und im normalen Arbeitsalltag grundsätzlich an Ideen oder auch kritischen Diskussionen zu Projekten oder Ideen fehlt. Der Harmonie wegen werden die meisten Entscheidungen einstimmig getroffen. 

Diskussion im Team

Mein Tipp: Sorgen Sie in solchen Fällen nach Möglichkeit für einen offenen Austausch in Meetings, indem Sie zum Beispiel aktiv Gegenargumente für neue Ideen einfordern oder dazu auffordern, die Perspektive zu wechseln. Gerade der Perspektivwechsel kann wiederum zu neuen Ideen führen, die diskutiert werden können.

Kritik wird nicht offen thematisiert

Positives Feedback gehört zu einer angenehmen Arbeitsatmosphäre dazu. Wir alle kennen sicherlich den autoritären Chef, für den kaum ein Arbeitsergebnis gut genug sein kann und von dem eine Aussage wie „Das sieht nicht ganz so schlecht aus“ das höchstmögliche Lob ist. Dieser Weg ist sicherlich der falsche. Genauso problematisch ist jedoch der Weg, überhaupt keine Kritik zu äußern. Werden immer nur die positiven Errungenschaften thematisiert, schadet das der Produktivität und hindert die Teamentwicklung. Vielmehr geht es darum, zu lernen, wie man Kritik sachlich thematisiert, ohne jemanden persönlich zu verletzen. Schließlich sorgt konstruktive Kritik auch immer für die Möglichkeit, etwas zu lernen. 

 

Mein Tipp: Setzen Sie auf offene Feedbackgespräche und auf Kommunikationsmethoden, die das Feedback geben erleichtern – auch in kritischer Form.

Fazit: Fördern Sie neben der Harmonie im Team auch die Konfliktfähigkeit

Konfliktfähigkeit ist nicht nur in Berufen nötig, in denen oft unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen. Vielmehr ist die Konfliktfähigkeit eine Eigenschaft, die jeder*m Mitarbeiter*in zu größerem beruflichen Erfolg verhelfen kann. Schließlich bringt jeder Konflikt die Möglichkeit mit sich, etwas zu lernen. Sowohl einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch ganze Teams können an offener Kritik und Kommunikation wachsen. Die hitzige Diskussion über die neue Produktentwicklung im Meeting kann also die Teamarbeit nachhaltig stärken.

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